Analyse der Nerds-Spezies auf dem Campus

Orchideenfächer-Schizos unter der Lupe:

Die facettenreiche Spezies des Geistes- und Sozialwissenschaftlers mit ihrer unergründlich anmutenden Gedankenwelt und ihrer vermeintlichen Faktenphobie bleibt dem gemeinen prototypischen IT- oder Ing.-Nerd meist verschlossen. Daher hat sich unsere Parttime-Soziologin Gülsen Ergün zur Aufgabe gemacht, eine mögliche Unterteilung und bunte Auswahl der unterschiedlichen Geistsozi-Nerdtypen vorzunehmen. Woche für Woche werden jeweils 2 der insgesamt 6 Typen vorgestellt.

Diese Woche möchten wir mit der Gegenüberstellung zweier Typen beginnen, die konträrer nicht sein könnten: Weltverbesserer und Sozialkämpfer trifft auf Spießbürgertum at ist best:

Typ 1: Der upgedatete Traditionsnerd: Cordjacke 2.0

Der hornbebrillte, Cordjacken mit Ledereinsätzen tragende Grundtyp ist in seinem Archetypus grundlegend nach wie vor erhalten, weist allerdings zum antiquierten Modell leichte Standardabweichungen in spielerischen Details auf (Ein lasziv den Hals umrankender Intellektuellen-Seidenschal wird politschwanger ersetzt durch einen Arafat-Schal bzw. gänzlich eliminiert; an dessen Stelle tritt eine Aidsschleife oder ein Bändchen in oppositionellem  Nahost-Grün.). So viel zum Software-Upgrade. Die Hardware beinhaltet noch immer den Weltschmerz verspürenden Tiefdenker, der leichtfüßig und mit interdisziplinärem Knowhow durch die Geisteswissenschaften tänzelt und weiß, wann und warum sich blinde Technokratie rächen wird. Auch leidenschaftlicher Sozialkämpfer, gesellschaftkritischer Robin Hood, nimmt es von den blutrünstigen BWL-ern und gibt es den am Hungertuch nagenden Kunsthistorikern, Literaturwissenschaftlern und Philosophen. Dass das, was er umverteilt, nicht in Euro und Cent zu bemessen ist, interessiert nicht: Für das große Ganze zählt die Intention und die ist edel!

Nerdometer: 7

Typ 2: Der „emsiges-Bienchen-mit-Hausfrauenambition-Nerd“: Gebildetes Liebchen in traditioneller Rollenverteilung

Dieser Nerdtypus ist nahezu ausschließlich bei den Ladies anzutreffen und trotz emanzipativer Meilensteine nach wie vor stark verbreitet. Im zarten Grundschulalter mit Hanni & Nanni in die Welt des geschriebenen Wortes eingestiegen, über Nicholas Sparks – Schmonzetten gelandet beim literarischen Bildungskanon, der Schiller, Kafka und Grass vorschreibt. Die Berufsorientierung ist dabei gänzlich uninteressant, da das traditionsträchtige Rollenmodell weiter aufrechterhalten wird. Die Formel zur gebildeten-Liebchen-Erfüllung ist ziemlich simpel: Man lege eine Defintionsmenge aus AbSOLVENTen fest, deren meist ingenieurwissenschaftliches, juristisches oder medizinisches Studium glänzende Karriereaussichten eröffnet. Man setze diese gleich zum vollkommenen Germanistinnen-Glück – eine Multiplikation hier, eine Äquivalenzumformung da, et violà: Maßgeschneidert, nadelgestreift, zahlungskräftig: Das Ticket in eine finanziell sorglose Zukunft, das wiederum über ein großes Netzwerk mit ebenfalls klugen und gelangweilten Ehefrauen verfügt, womit auch der Pool potentieller Tennispartnerinnen feststeht. Und wenn der Göttergatte am Nachmittag liebevoll in den Hörer säuselt „Schatz, meine Chefs und Partner kommen heute zum Abendessen zu uns“ bringt sie schnell die Kinder zu Marlene, ihrer Tennispartnerin, huscht durch die exquisitesten Feinkostläden der Stadt, lässt sich hervorragende Bio-Lammlachse vom Metzger des Vertrauens reichen und… drei Stunden später ist alles auf Hochglanz poliert, vom Tafelsilber bis hin zu ihrem charmanten Lächeln. Der Gatte lächelt stolz und zufrieden und sie zitiert Voltaire zum Dessert.

Nerdometer: 9

To be continued…